Brauchen wir wirklich Wachstum?
Um endlich zu einer wirklich nachhaltigen (das langfristige Ausbalancieren sich u.U. widersprechender Interessen, von Nehmen und Geben und sich erholen lassen, Dauerhaftigkeit) Welt zu gelangen, müssen wir an den eigentlichen Kern des Problems herangehen – die fehlerhafte (unzweckmäßige) Geldwirtschaft. Selbst in der AG Nachhaltigkeit bei den Piraten fand ich kaum einen Hinweis auf das eigentliche Problem, wenngleich wertvolle Beiträge zur Linderung der Symptome geleistet werden. Ein Diskussionsbeitrag ist m.E. auf der richtigen Spur. | Wir müssen weg vom Wachstum] und auch Pirat Rm hat mit seinem Antrag PA001 dort Abschnitt Finanz- & Währungssystem das Problem, wie ich finde, gut umrissen. Ich nehme auch Bezug auf den Abschnitt in der Diskussion zur Geldpolitik und zur Frage der Geldpolitik auf der Seite AG_Wirtschaft
Aber woher kommt denn die Forderung nach Wachstum überhaupt und wie kann man es vermeiden – dieses Wachstum?
Es hilft nichts, man muss der Sache auf den Grund gehen. Es reicht nicht, an den Symptomen herumzubasteln.
Ich werde weiter unten darstellen, dass es schon später als 5 Minuten vor 12 ist und dass m.E. nur so eine Bewegung wie die Piraten oder Die Linke in der Lage sein könnte, den Dampfer noch halbwegs so umzusteuern, dass er nicht auf Grund läuft und der Schaden wenigstens nicht das Leben kostet. Ja – ich meine es so dramatisch.
Wachstumsdruck aufgrund von Zinsen auf neu geschöpftes Geld (Fiat-Geld)
Wie ich an andere Stelle schon dargestellt habe, muss die Geldmenge stets wachsen, wenn (und weil) der Zinsbetrag, der auf neu geschöpftes Geld berechnet wird, nicht geschöpft wird. Man kann den Zinsbetrag nur deshalb zusätzlich zur Tilgung der Hauptforderung (des eigentlichen Kreditbetrages) anschaffen, weil andere Personen ihrerseits Kreditbeträge erhalten haben, die selbst auch wieder mit Zinsen belastet sind.
Ob deswegen, weil die Geldmenge wächst, auch mehr Ressourcen verbraucht werden müssen, ist eine andere Frage. Das ist auch nicht der einzige Grund, warum die Geldmenge wächst. Darauf kommen wir noch an anderer Stelle. Es kommt sehr darauf an, wofür zusätzliche Geldmenge verwendet wird. Fließt sie z.B. in reine Finanzgeschäfte, führt das z.B. zur Preiserhöhung von Aktien – die Kurse steigen. (Ob die den Preis dann “wert” sind, ist eine andere Frage). Zusätzliche Geldmenge kann auch dazu führen, dass andere schon existierende Vermögenswerte im Preis steigen (Immobilien, Kunstgegenstände, u.ä.). Diese Beobachtung kann man zur Zeit gut machen. Immobilien, Aktienkurse etc. erhöhen sich ziemlich schnell, nicht aber Lebensmittel oder andere Bestandteile des Warenkorbs, an dem gemessen wird, ob Preise inflationieren. Erst kürzlich noch bestand sogar die Befürchtung der Zentralbank, über deflationäre Entwicklungen (also sinkende Preise durch Geldknappheit).
Wachstumsdruck aufgrund von Gewinnerfordernis
Es ist eine Binsenweisheit, dass ein Unternehmen, das keinen Gewinn macht (oder gar Verlust) nicht dauerhaft existieren kann. Das bedeutet, dass jedes Unternehmen innerhalb eines gewissen Zeitraums höhere Erträge als Kosten haben muss, die (und das ist wirklich essentiell) , sich auch in entsprechender Entwicklung der Liquidität darstellen. Es muss also auch mehr Geld hinein, als hinausfließen und dieser Zeitraum muss so durchfinanziert sein, dass auf dem Weg zum positiven Cash-Flow keine Zahlungsunfähigkeit eintritt.
Dieser Gewinn, und nur der kann in einem adäquaten Zeitabschnitt auch zu einem positiven Cash-Flow führen, bedeutet wirtschaftliches Wachstum.
Hier muss ich mich mit Blick auf meine Überzeugung in der Vergangenheit korrigieren. Es ist auch wirtschaftliches Wachstum denkbar, dass keinen Verbrauch zusätzlicher Ressourcen (Umweltkosten) verursacht, sondern Ressourcen einsparen kann. Denkbar wäre z.B. eine Idee, die zur Einsparung von Energie führt. Das Unternehmen kann wirtschaftlich sehr erfolgreich sein, es hilft sogar anderen Kosten (und Ressourcen) einzusparen und für alle ist das ein Gewinn, der sich in “barer Münze” (einem positiven Saldo an Geld) ausdrückt. Das innovative Unternehmen macht Gewinn und die Käufer sparen Kosten und Energie.
Wirtschaftswachstum per se zu “verteufeln” wäre also nicht angemessen. Man kann also, so gesehen, “Wachstum” im Hinblick auf ressourcenminderende Qualitätsverbesserungen durchaus akzeptieren.
Dennoch: irgendwann (es sei denn, wir erfänden so etwas wie “freie, kostenlose Energie”) wären alle ressourcensparenden und gewinnbringenden Möglichkeiten erschöpft und dann müsste (systembedingt, by design, per definitonem) die Wirtschaft weiter wachsen und würde laufend mehr endliche Ressourcen verbrauchen.
An der Warnung hat sich daher nichts prinzipiell geändert: Wir müssen mit dem Wachstum Schluss machen.
Exponentielles Wachstum
Stetiges Wachstum ist tödlich
Den wenigsten Menschen ist klar, dass ein 2%-iges stetiges Wachstum zu einer Verdoppelung in ca. 35 Jahren führt (siehe 72er Regel – ggf. einfach googeln). Stetiges Wachstum führt immer zu Verdoppelungen in gleichen Zeitabschnitten. Das ist simple Arithmetik. Will wirklich irgendjemand, der bei Verstand ist, glauben, dass unsere Wirtschaft in einem Zeitabschnitt, der etwa der Lebenspanne eines Menschen entspricht (also gut 70 Jahre) sich von heute an vervierfachen kann? Und angesichts dieser Tatsache quatscht Frau Merkel und nicht nur die (z.B. auch Bundeswirtschaftsminister Dr. Phillip Rösler) von Wachstum?!! Die Frau ist Physikerin und sollte mit den Grundlagen der Arithmetik doch vertraut sein. Dem Rösler als Mediziner würde ich’s ja sogar nachsehen… und (etwas Polemik mag ich mir einfach nicht verkneifen) dem Westerwelle sowieso.
Wenn man in einem Gedankenexperiment in einem Raum, sagen wir einer Flasche, ein Bakterium einsperrte, das sich jede Minute einmal teilte (es ist bekannt, dass Bakterien sich durch Teilung verdoppeln) und wenn man weiter annähme, dass bei dem gegebenen Raum die Flasche nach einer Stunde voll wäre, dann muss man nur einmal, kurz überlegen, was das bedeutet, wenn die Teilung (also das Verdoppeln) um 11:00 Uhr beginnt (eigentlich ist das egal, wann es beginnt) und die Flasche um 12:00 Uhr voll ist.
- um 11:59 Uhr ist die Flasche halbvoll
- um 11:58 Uhr ist sie viertelvoll
- um 11:57 Uhr ist sie 1/8 voll
- um 11:56 Uhr ist sie 1/16 voll
und um 5 vor 12 sind erst gut 3% der Ressourcen verbraucht und kein Mitglied der Population käme auf die Idee, dass ein wirklich ernstes Problem existierte, wenn es sich nicht über diese simple Arithmetik Gedanken gemacht hätte – und würde weiter von Wachstum quatschen. In ziemlich genau dieser Situation sind wir – und es ist leider schon später als 5 vor 12.
Literaturhinweise
Arithmetic, Population and Energy must see!